Die Zeit zum Wochenende wurde immer knapper und ich hatte mehrerer Möglichkeiten. Am Dienstag läutete mein Handy und Andi erzählte mir von einem traumhaften Wetterbericht und perfekten Verhältnissen in der Schweiz. Somit war unser Ziel ziemlich bald klar. Die „Cassin“ am Piz Badile. Diese Tour ist ein der Schönsten und Berühmtesten, die es im Alpenraum gibt. Das Gestein ist ausschließlich bester Granit. Die Stände sind gebohrt, Zwischenhaken gibt es allerdings kaum, und wenn, dann sind diese eher von zweifelhafter Qualität. Aber wie meist im Granit erlauben zahlreiche Risse, denen diese klassische Linie folgt, eine vernünftige Absicherung durch Keile bzw. Friends.
Am Donnerstag absolvierte ich noch den Business Run (5000 Meter Lauf) und dann fuhr ich schnell nach Baden wo ich mich mit Andi traf. Gemeinsam ging es weiter nach Gastein, wo wir bei seiner Mum übernachteten. Am nächsten Morgen waren Klaus und Harry pünktlich um 09:00 zur Stelle, und zu viert brausten wir Richtung Engadin zum Piz Badile.
Bevor wir über die Schweizer Grenze fuhren organisierten wir uns noch ein gutes Mittagessen, und vorbei an St. Moritz und den Maloja-Pass hinunter, erreichten wir schließlich am frühen Nachmittag Bondo am Fuße des Badile, von wo man diesen auch schon in seiner vollen Größe sehen kann. Ein wunderschöner Granit Berg welcher seinem italienischen Namen („Badile“=Schaufel) durchaus gerecht wird.
Das Wetter war tatsächlich traumhaft und auch die Bedingungen perfekt. Vom Hüttenwirt wussten wir überdies, dass der Serac am Einstigsband der Wand ohne Steigeisen und Pickel umgangen werden kann.Wir durften also das lästige Eiszeug und die schweren Bergschuhe ruhigen Gewissens zu Hause lassen, was sich natürlich günstig auf das Gewicht der Rucksäcke auswirkt. Einen Teil des Zustiegs zur Sasc Furä Hütte kann man sich durch Benutzung einer teils mautpflichtige Straße ersparen. Die Maut kostet nicht die Welt (9€ pro Auto) und kann an einem Automaten in Franken oder Euro beglichen werden. Vom Parkplatz am Ende dieser Strasse erreicht man bei zügigem Tempo in etwas mehr als einer Stunde die Sasc Furä Hütte auf 1904m. Eine super Hütte: extrem lässige und sehr freundlich Pächter, Essen und die Unterkünfte waren auch spitze. Eine frische Quelle vor der Hütte sorgt immer für gutes Schweizer Trinkwasser.
Da ich mit Andi schon sehr lange keine gemeinsame Tour mehr gegangen war, besprachen wir noch unsere Taktik. Dann gab es herrliches Abendessen und danach gönnten wir uns noch das ein oder andere Bier auf der Terrasse mit Piz Badile Blick. Die großen Granitsteine mit welchen die Hütte gebaut ist waren noch schön warm und wärmten den Rücken. Eine wunderschöne Gegend. Um 21:30 gingen wir dann schlafen und auch alle anderen Kletterer waren bald in ihren Betten. Um 04:30 waren dann alle wach und die Hütte war plötzlich voll belebt. Zähne wurden geputzt, die WC Anlagen bevölkert, Rucksäcke gepackt und die letzen engen Plätze beim Frühstück belagert.
Obwohl es eine klare Nacht gegeben hatte, war die Temperatur recht angenehm. Klaus und Harry brachen etwas vor uns auf. Andi und ich waren so im letzten Drittel. Da die Verhältnisse so perfekt waren, waren wir natürlich nicht die einzigen *gg*. Der Zustieg war recht einfach zu finden da sich eine Lichterkette zu den Touren zog. Vor Allem in der Nordkante war die Hölle los. Über Platten und Verschneidungen ging es bis zum Einstieg der Nordkante. Dort kletterten wir ab und querten in die Nordostwand. Der Serac aus hartgefrorenem Altschnee auf dem Einstiegsband, welcher bei schlechten Verhältnissen zur Crux der gesamten Tour werden kann, war tatsächlich hinten zu umgehen, und an seinem linken Ende erlaubte ein enges Loch das Durchkriechen zur Fortsetzung des Bandes. Über dieses ging es dann noch immer seilfrei zu einem 3er Kamin, and dessen oberen Rand sich die verschiedenen Einstiegsvarianten der Tour befinden.
In der Rebuffat-Variante standen jedoch schon mehrere Seilschaften Schlange, sodaß wir eine Einstiegsvariante weiter links wählten (der alte Originaleinstieg von Riccardo Cassin, der aber heutzutage kaum mehr begangen wird, lief seinerzeit über den Gletscher und die unteren Platten), Vor uns hatten sich schon Klaus und Harry in die Schlange eingereiht,.Harry war schon in der ersten Länge und bald am Stand. Andi und ich richteten ebenfalls unseren Standplatz ein, und dann ging es los. Ich führte die erste Länge und war ebenfalls bald am ersten Stand. Der Fels war einfach perfekt. Granitrisse und festes Gestein, rau und mit winzigen Kristallen versehen. Granit hat ja meist die sympathische Eigenschaft dass er faktisch auch bei noch so vielen Begehungen nicht abschmiert. Andi und ich kamen recht gut voran.
In der siebenten Seillänge verkofferten sich ein paar Leute und wie Lemminge verfolgte ein Verfolger den nächsten *gg*. Andi konnte den Fehler jedoch für sich nutzen und so überholten wir ein paar Seilschaften. Beim oberen Schneefeld machten wir kurz Pause, da sich vor den nun folgenden Schlüsselseillängen unvermeidlicherweise wieder ein Stau gebildet hatte. Aber das Wetter war so schön und stabil, dass keine Stress aufkam. Auch die bei größeren Touren oft vorhandene Nervenanspannung ließ jetzt nach, der Granit bot immer wieder vernünftige Sicherungsmöglichkeiten als Alternative zu den Teils abenteuerlich rustikalen Rostgurken, und so machte das Klettern richtig Spaß. Im oberen Kaminsystem führte Andi eine Seillänge, die im Topo sehr plakativ als „Wuzelkamin“ bezeichnet wird.
Mit einem gewissen Maß an Kreativität muss man hier seinen Körper höherschieben und schrubbt sich richtiggehend hinauf. Auch ich hatte so meine Probleme im Wuzelkamin, vermutlich, weil ich 180 Grad anders orientiert als Andi in dem Teil steckte und so auch einen von ihm gelegten Friend nur nach abenteuerlichen Verrenkungen wieder herausbekam. Mit ein wenig Fluchen gelang es schließlich doch. Bei der nächsten Kamin Länge hatten wir echtes Glück. Ich schob gerade den ersten Friend in den Riss als ein plötzliches Pfeifen Steinschlag ankündigte. Ich hasse dieses Geräusch. Und im selben Moment kracht oben ein zweifaußtgroßer Stein in die Seitenwand. Ich verstecke schnell noch meine Finger am Körper. Zum Glück knallt der Stein dann unten neben Andi ins Schneefeld.
Puh. Nix passiert. Mein Puls rast. Ich höre noch wie Andi unten singt:“Daneben, daneben!“ Insgeheim musste ich kurz lachen und kletterte weiter. Oben kommt dann noch eine recht heikle Stelle, die Andi aber souverän meistert. Ein kleiner Topofehler wurde mir dort zum Verhängnis und ich konnte den Stand nicht finden. Aber Andi bügelte das wieder glatt *gg*. Die letzte Seillänge führte direkt auf den Nordgrat welcher dann auf den Gipfel geht. Nach kurzer Stärkung und Gipfelfoto entschieden wir uns in den Süden zum Schutzhaus Rifugio Gianetti abzusteigen. Der Abstieg war zwar nicht schwierig, aber wir waren doch schon ein wenig müde, und da wir teilweise abkletterten, war immer noch volle Konzentration angesagt.
Mit dem letzten Licht kamen wir zur Hütte, wo Klaus und Harry bereits auf uns warteten. Die zwei waren extrem schnell gewesen, hatten tatsächlich alle anderen Seilschaften überholt, waren dadurch auch als Erste am Ausstieg und insgesamt sicher fast 3 Stunden vor uns auf der Hütte eingelangt. Dank ihrer Initiative bekamen jedoch auch wir Nachzügler unsere wohlverdienten Lagerplätze sowie ein Abendessen nebst Bier. Zur Feier des Tages spendierte Klausi ein Flasche Rotwein, worauf wir natürlich noch lange in alten Berggeschichten und Abenteuern schwelgten.
Um halb Elf gingen wir dann in die Falle, und am nächsten morgen schliefen wir auch ein wenig länger. Nach einem kleinen Frühstück blieb nun noch die Umrundung des ganze Massivs. Die Gletscherreste am Weg waren jedoch ebenfalls alle schneefrei, und so war auch dieser Rückweg recht unproblematisch. Nach 4 Stunden erreichten wir wohlbehalten unseren Ausgangsstützpunkt, die Sasc Furä Hütte, wo ich mir Kaffee und Kuchen gönnte. Das Wetter war lange nicht mehr so gut wie gestern.
Trotzdem sah man oben auf der Kante einige Seilschaften. Jetzt folgte noch der Abstieg von der Hütte zum Parkplatz wo wir uns zufrieden aus den verschwitzen Klamotten schälten. Um 20:00 trafen wir wieder in Gastein ein, und um 01:00 erreichten wir Baden, wo Burnie noch mit einem super Abendessen inkl. Nachspeise auf mich wartete.
Danke Andi für die großartige Tour, und bis zu unserem nächsten gemeinsamen Projekt!
super Tour! Hast du ein Topo, das du mir schicken könntest?