Sachverhalt:

A zog sich bei einem Absturz in der von B betriebenen Kletterhalle (bei der Benützung eines fix montierten Toprope-Seils) schwere Verletzungen zu. Die Toprope-Seile in der Kletterhalle wiesen an dem für den Kletterer bestimmten Ende jeweils einen „Achterknoten“ auf, welcher mit einem Kabelbinder vor dem Öffnen gesichert wurde. In der Schlaufe des Knotens befanden sich zwei gegengleich eingehängte Karabiner, welche wiederum mit zwei weiteren Kabelbindern in der Schlaufe fixiert wurden. Bei dem von A benutzten Toprope-Seil waren die Karabiner jedoch nicht im Seil, sondern nur in den am Seil hängenden Kabelbindern eingehängt. Dieser Umstand wurde sowohl von A als auch von ihrem Kletterpartner im Rahmen des von der Hallenordnung vorgeschriebenen „Partnerchecks“ übersehen. Beim Abseilen rissen die Kabelbinder, wodurch A aus einer Höhe von 12 Metern in die Tiefe stürzte. Es konnte nicht festgestellt werden, wer die Karabiner nur in die Kabelbinder und nicht auch in das Seil eingehängt hat.

Entscheidung: (Auszüge aus 10 Ob 66/09t)

Die ausschließlich dem Tatsachenbereich zuzuordnende Frage, ob die Verletzung der A darauf zurückzuführen ist, dass ein Kletterlehrer die Karabiner vor der Benützung durch A nicht in die Seilschlaufe, sondern nur in die mit der Seilschlaufe verbundenen Kabelbinder eingehängt hat, ist einem Anscheinsbeweis im dargestellten Sinne nicht zugänglich, weil es sich hier nicht um irgendeinen typischen Geschehensablauf handelt, der es rechtfertigen könnte, anstelle der ganz konkreten Beantwortung der zu lösenden Tatfrage eine andere Tatsache als erwiesen anzunehmen und daraus unter Berufung auf einen typischen Erfahrungszusammenhang die Beantwortung der zu lösenden Tatfrage abzuleiten. Vielmehr geht es im vorliegenden Fall darum, ob die in den vom Berufungsgericht verwerteten Verfahrensergebnissen enthaltenen Indizien dafür ausreichen, bestimmte Feststellungen über den Unfallsablauf zu treffen oder nicht. Dies hat das Gericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurteilen. Zweifellos spielen dabei auch Wahrscheinlichkeitserwägungen eine Rolle; diese gehören aber ausschließlich in den Bereich der Beweiswürdigung. Die Frage, ob der Kletterlehrer die Karabiner nur in die Kabelbinder eingehängt hat, ist eine Tatsachenfrage, deren Lösung ihre eindeutige Bejahung oder Verneinung erfordert – etwa auch über die Heranziehung von Indizien. Ein typischer Beweisnotstand, der über eine Prima facie-Schlussfolgerung überbrückt werden könnte, liegt aber im gegebenen Fall nicht vor, weshalb die rechtliche Beurteilung auf der vom Berufungsgericht übernommenen Feststellung aufzubauen hat, dass nicht festgestellt werden kann, wer die Karabiner nur in die Kabelbinder und nicht auch in das Seil eingehängt hat.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass auch vertragliche Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden dürfen und dass für den Betreiber einer Sportstätte nur die vertragliche Nebenpflicht besteht, die Benützer durch zumutbare Maßnahmen vor Schäden zu bewahren und vor erkennbaren Gefahren zu schützen. In diesem Sinn war B nicht gehalten, die Anlage „durchgehend“, insbesondere in Kletterpausen auf vorangegangene Manipulationen von Benutzern an den Seilschlaufen zu kontrollieren.

In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht bestand auch keine Verpflichtung, die Verwendung von Kabelbindern zu dem festgestellten Zweck zu unterlassen und statt der gewählten Kombination die damals bereits am Markt erhältlichen Augenkarabiner zu verwenden. Abgesehen davon, dass bei der Einschätzung der Gefährlichkeit einer Anlage auch die Pflichten ihrer Benützer einzukalkulieren sind – in concreto war die (eingeschränkte) Funktion der Kabelbinder insbesondere bei korrekter Durchführung des Partnerchecks erkennbar -, sind auch im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten nur zumutbare Maßnahmen geboten. Nach der Rechtsprechung werden die Verkehrssicherungspflichten eingehalten, wenn dem dem jeweiligen Stand der Technik geltenden Standard durch zumutbare Instandhaltungs- und Verbesserungsarbeiten entsprochen wird; die laufende Adaptierung an einen höchstmöglichen Sicherheitsstandard einer Anlage wird nicht generell geschuldet (ein solches Schutzniveau könnte aber vereinbart werden). In diesem Sinn ist zwar das Gefahrenpotenzial bei der Verwendung einer Kombination aus Karabinern und Kabelbindern gegenüber der Verwendung von Augenkarabinern erhöht; aus den Verkehrssicherungspflichten ist aber unter den gegebenen Umständen, insbesondere unter Berücksichtigung der eigenständigen Pflichten der Benützer zur Vermeidung von Lebensgefahr und des Fehlens eines „Vorunfalls“, für den Zeitpunkt des Unfalls keine Verpflichtung zum Austausch abzuleiten.

Damit fehlt es aber an einer Grundlage für eine Haftung des B, weshalb das Klagebegehren abzuweisen ist.

Kommentar (Peter Gloß):

Die Entscheidung kann für den Betreiber der Kletterhalle wie folgt kommentiert werden: “Gerade noch einmal gut gegangen”. Auch wenn die Verwendung von Kabelbindern zum Schutz vor dem (ungewollten) Öffnen der Achterknoten zu keiner Haftung des B geführt hat, so wird dadurch doch eine potentielle (zusätzliche) Gefahrenquelle geschaffen. Dies hat das Höchstgericht auch angemerkt.

Im konkreten Fall konnte nicht festgestellt werden, wer die Karabiner nur in die Kabelbinder und nicht auch in das Seil eingehängt hat. Diese Negativfeststellung kam dem B zugute. Hätte sich im Beweisverfahren ergeben, dass ein Mitarbeiter des B die Karabiner nur in die Kabelbinder und nicht auch in das Seil eingehängt hat und hätte dies das Gericht im Urteil festgestellt, dann hätte dies (neben einem Mitverschulden des A – Erkennbarkeit!) wohl zu einer Haftung des B geführt.

Auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens (wer hat die Karabiner nur in die Kabelbinder und nicht auch in das Seil eingehängt?) würde ich mich nicht verlassen. Meiner Meinung nach ist es sinnvoller, keine Kabelbinder zu verwenden. Einer Kontrolle der Achterknoten bedarf es ohnedies! Selbst bei Verwendung eines Kabelbinders kann nicht gesichert davon ausgegangen werden, dass es keinesfalls zu einem Öffnen oder Lockern des Knotens kommt.