Seitdem ich mit dem Fliegen begonnen habe, gibt es keine Planung mehr, bei der ich nicht versuche den Berg mit einem Flug zu verbinden. Es ist eine große Leidenschaft und ein Urbedürfnis der Menschheit. Für mich persönlich ist es noch viel mehr.
Eines meiner letzten langen Wochenenden steht vor der Tür, denn die Geburt von meinem zweiten Sohn steht unmittelbar bevor. Ende Dezember/Anfang Jänner soll es soweit sein. Noch sind wir ziemlich relaxed und mit den Gedanken an meine Familie sitze ich hinter dem Lenkrad von meinem alten T4 Bus und Michl mein Bergpartner sitzt neben mir. Er, Michl, dreifacher Familienvater, Bergsteiger, Kletterer, Kondiviech und Flugmentor, gibt mir noch den ein oder anderen Tipp zum Familienleben. Der Motor schnurrt vor sich hin und nach einer langen Fahrt kommen wir in Sulden, Ortlergruppe, an. Irgendwie fühle ich mich nicht ganz fit. Scheinbar hat mir mein Arbeitskollege noch ein paar Viren auf die Reise mitgeschickt. Aber morgen sollte das schon passen.
Ortler der Hintergrat
Laut Wetterprognosen war das Wetter „perfektest“ und auch der Wind bis auf 4000 m nur ganz schwach (5 km/h SW). Wir packten in der Nacht noch unsere Rucksäcke. Ein 30-Meter-Seil, Steigeisen, ein bisschen Material und den Gleitschirm. Unser Plan war die Besteigung vom Ortler (3.905m) über den Hintergrat (Ostgrat) und anschließend wollten wir uns den super mühsamen 6-Stunden-Abstieg ersparen. Kurz vor Mitternacht kamen wir in die Schlafsäcke. Nach ein paar Stunden Schlaf läutete der Wecker um 04:28. Frühstücken, ein bisschen aufwärmen, schließlich hatte es schon deutliche Minusgrade, und fertig machen. Um 05:30 starteten wir Richtung Hintergrat. Es war perfekt. Sternenklar und noch kein Schnee. Wir kamen gut voran, wobei ich merkte, dass ich nicht richtig fit war. Ich nahm etwas Tempo raus und ging gemütlich weiter. Die 3 extra Kilogramm merkte ich zwar ein wenig, aber sie machten keine Probleme.
Ab der Hintergrathütte wurde der Schnee deutlich mehr und wir mussten ein wenig spuren. Eine zweite Seilschaft überholte uns am Einstieg und übernahm die Spurarbeit, was wir dankbar annahmen. Der Grat selbst ist technisch nicht schwer und so kletterten wir die ersten zwei Drittel seilfrei. Erst oben bei den Schwierigkeiten seilten wir an. Ich merkte jetzt stark die Höhe und mein Körper wollte heute scheinbar nicht wirklich bergsteigen. Somit war jeder Schritt ein echter Kampf.
Beim Klettern ging es mir wieder besser, aber auf den Schneefeldern musste ich wirklich fighten. War mir aber egal und Schritt für Schritt kamen wir Richtung Gipfel. Ich kletterte die letzten Meter zum schönen Gipfelkreuz. Machte noch einen Stand und Michl kam nach. Er war fit und ihm gingen die letzten Meter relativ locker von der Hand. Oben bedankten wir uns mit einem „Berg Heil“ bei unseren Spurkameraden und checkten die Windverhältnisse.
Oben am Gipfel waren wir noch guter Dinge, aber der Wind kam genau aus dem Süden und noch dazu mit lockeren 30 km/h, wenn nicht stärker. So ein Dreck, bei Süd kommen wir nicht weg. Irgendwie hoffte ich noch, dass der Wind irgendwann westlicher drehen würde, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und so stiegen wir über den Normalweg wieder ab.
Der Normalweg ist auch nicht ganz so einfach. Immer wieder steile Gletscherflanken (45°). Große Spalten und zum Schluss ein langer Grat, der nicht enden will. Ist dieser überwunden, steht man auf der anderen Seite und muss all die zurückgelegten Kilometer wieder zurück nach Sulden. Das Bitterste waren die drei Extrakilo, der Gleitschirm, den wir leider nicht verwenden konnten. Endlich beim Bus war ich fix und fertig und Michl müde. Für mich war klar, morgen Ruhetag…
Ortlergruppe die Schöntaufspitze
Es wurde wieder heller und ich lag in meinem warmen Schlafsack. Ausgeschlafen. Der Parkplatz war bereits hoch frequentiert und gemütlich standen wir auf. Nach einem guten Frühstück packten wir unsere Tourenski und Gleitschirme zusammen und machten uns auf den Weg Richtung Hintere Schöntaufspitze 3325 m.
Den schneefreien Part machten wir heute mit der Seilbahn. Balsam auf unserer Seele. Von der Bergstation sind es trotzdem nochmal 1619 m, was aber mit den Skiern ziemlich locker geht. Wir hatten Sonne und ein Traumwetter. Wieder war es blitzblau, keine Wolke und schwacher Wind. Oben am Gipfel war es perfekt. Diesmal hatten wir einen Südstartplatz und richtig gute Verhältnisse.
Wir packten unseren Schirm aus und machten uns startbereit. Aufziehen – Umdrehen und Abflug. Herrlich, Balsam auf unserer Bergsteigerseele. Die Wiesen unten bieten genug Platz und ohne Thermik gibt es auch keine bedrohlichen Talwinde. Nach der Landung checkten wir in den SPA-Bereich von einem 4-Sterne-Deluxe-Hotel ein und verbrachten dort den restlichen Tag mit Sauna, Whirlpool, Zirbenkissen und W-LAN.
Vertainspitze Nordwand
Gut ausgeruht, war heute die Nordwand dran. Wir kannten diese bereits und Michl ist diese, bei guten Verhältnissen, auch schon solo geklettert, aber in Kombination mit dem Gleitschirm kannten wir die Vertainspitze beide noch nicht. Um 05:30 waren wir Richtung Düsseldorferhütte unterwegs.
Bei Sonnenaufgang waren wir bei der Hütte. Dort war dann auch um einiges mehr an Schnee und wir konnten bis zum Einstieg spuren, was bei hüfthohem Schnee teilweise ganz schön kräftezehrend war. Auch am Gletscher waren die fetten Spalten offen und wir wählten eine gute Linie. Der Bergschrund war völlig unproblematisch.
Die Nordwand selbst war faktisch in den ersten zwei Dritteln komplett blank. Ich wollte die direkte Linie probieren und keine Auskneifvariante klettern. Somit hatte ich den Vortritt. Das Eis war sehr hart und der schwere Rucksack zog mich auch nach unten, aber in gewohnter Routine kletterte ich die erste Länge.
Bei Michl machte sich das Drytoolingtraining bemerkbar und auch er kletterte souverän. Was wir nicht so richtig bemerkten, war die Kälte. Die forderte auch einiges an Kraft. Meter für Meter kletterten wir das blanke und harte Eis. Am Stand gab es eine solide Eisschraube und alle 15 bzw. 20 Meter eine Zwischensicherung.
Aus Gewichtsgründen kletterten wir auch nur mit einem Halbseil, aber aus unserer Sicht mehr als ausreichend. Im oberen Bereich waren dann wieder ein paar fette Spalten. Somit blieben wir am Seil. Oben am Grat konnten wir das erste Mal wieder Sonne tanken. Für mich persönlich immer ein ganz besonderer Moment, wenn man von der kalten Nordwand die ersten warmen Sonnenstrahlen spürt.
Besonders war auch, dass wir kaum Wind hatten, und das war ein saugeiles Gefühl. Der Traum dort runterzufliegen könnte echt aufgehen. Erst müssen wir aber noch über den Grat zum Gipfel, was noch ein ordentliches Stückchen ist. Der Gipfel zum Greifen nahe und dann stehen wir beide oben. Ich spüre den leichten Südwind, die Sonne scheint uns ins Gesicht und keine Wolke am Himmel.
Ich umarme Michl überglücklich und wir wissen es beide. Fliegbar, jawohl. Wir steigen ein paar Meter zu einem super Startplatz ab. Genug Platz für beide Schirme. Der Wind kommt richtig gut von vorne. Wir packen das Kletterglump in den Rucksack und hupfen ins Fliegergurtzeug. Dann der Moment, Schirmaufziehen und los geht’s.
Mein PI trägt mich und ich gleite ins Tal. Michl neben mir und dann kann ich es nicht mehr halten. Ein lauter Juchhitzer ertönt durch das ganze Tal und wir fliegen über die Berge und das Skigebiet Richtung Sulden. 20 Minuten später landen wir faktisch neben dem Auto. Unglaublich wenn alles so aufgeht und das sind die Momente, wo einfach alles zusammenpasst.
Suldenspitze 3376 m
Den restlichen Tag ließen wir´s uns dann richtig gutgehen. Was wir dann bemerkten war, dass wir beide unsere Zehen ein wenig angefroren hatten. Ich merkte das überhaupt erst an den darauffolgenden Tag. Aber es war nicht weiter schlimm und für unseren letzten Tag planten wir wieder was Gemütliches.
Eine kleine Skitour mit dem Schirm. Die Suldenspitze, wo Michl und ich 2014 schon mal oben waren. Diesmal aber in Kombination mit dem Gleitschirm. Wieder sind wir mit der Seilbahn raufgedüst und von der Bergstation direkt mit Skiern weggegangen. Auch hier war der Gletscher spaltenreich und es galt ein paar dicke Spalten zu überqueren. Die knappen 1600 hm waren schnell erledigt und oben am Gipfel hatten wir wieder Südwind, was heute sehr spannend werden würde.
Vor allem für Michl, der mit dem UFO unterwegs war, da wir den Gipfel umfliegen mussten und über eine Gratkette Richtung Sulden fliegen mussten. Alles andere wäre keine echte Alternative gewesen. Nach meinem Start bog ich gleich nach links ab und in „Ameisenkniehöhe“ ging es Richtung Grat. Für die erste Scharte war ich zu tief, aber bei der zweiten war es bei mir perfekt. Ich hatte richtig gute Höhe. Pah ich liebe meinen PI23.
Für Michl war es doch um einiges knapper. Mit ein paar Metern Luft unterm Hintern kam er gerade über die zweite Scharte. Aber wir waren beide Richtung Sulden unterwegs und die Landewiese kannten wir bereits. Nach einer guten Landung packten wir unser Zeug und machten uns auf den Heimweg.
Vier mördergeile Tage, fast 7000 hm im Aufstieg, perfektes Wetter, drei super Flüge und unglaubliche Eindrücke werden uns sicher noch einige Zeit begleiten.
Hier die verlinkten Bilder vom Hintergrat, hintere Schöntaufspitze, Vertainspitze und Suldenspitze
Der Bericht von Michl´s Sicht auf www.strabag-alpinteam.at
Vertainspitze Nordwand auf Hike&Fly
Suldenspitze auf Hike&Fly
Hintere Schöntaufspitze auf Hike&Fly
Traumhaft schön…aber wie man 1600m schnell erledigen kann, ist mir schon ein Rätsel??? Bussi Sophie
allein die Tatsache runterfliegen zu können birgt eine besondere Motivation
Jetzt bin ich mal gespannt, ob das “Flotschiburli” das Wetter gut verfolgt. Die Verhältnisse in der Ortler Nord sind spitze- brauchen nur ein wenig Westwind…
Danke, Peter! Wenn ich deine Kletterleistungen verfolge, werde ich immer extrem neidisch. Aber für einen “alten Hasn” sind deine Routen nix mehr- da zwicks bei mir einfach schon zu viel…
lgm
schaug saugeil aus! wenn i das schon les… de 1600hm waren schnell erledigt… na servas! mir scheints, als ob dem michl sei Kamera an leichten Farbstich ins lila hat – kann das sein?
Wie immer: super Sache Jungs! Oder sollt i eher sagen: “alte Hasn”?
SG Peter
he he he, stimmt 2016 ist´s vorbei mit den 30igern und dann bin ich wohl oder übele ein alter Hase und in der Bergstatistik gefährdeter… zumindest was die Wahrscheinlichkeit betrifft
Das sind natürlich wieder irre im Sinn von großartige Bilder, Florian !
Wie schon seit vielen Jahren : HUT AB !